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Leben: Leben ist der Zustand, der durch Wachstum, Stoffwechsel, Homöostase, Anpassung, Fortpflanzung und Reaktion auf Reize gekennzeichnet ist. Lebende Organismen bestehen aus Zellen, die die Grundeinheiten des Lebens sind.

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Anmerkung: Die obigen Begriffscharakterisierungen verstehen sich weder als Definitionen noch als erschöpfende Problemdarstellungen. Sie sollen lediglich den Zugang zu den unten angefügten Quellen erleichtern. - Lexikon der Argumente.

 
Autor Begriff Zusammenfassung/Zitate Quellen

Stephen Jay Gould über Leben – Lexikon der Argumente

I 227 ff
Anfang/Leben/Gould: Bsp Ende 1977 wurden in Südafrika fossile Prokaryoten entdeckt, die etwa 3,4 Milliarden Jahre alt waren. Das ist ein wesentlich früherer Beginn des Lebens, als man bisher angenommen hatte.
Def Prokaryoten: Prokaryoten sind u.a. Bakterien oder Blaualgen und bilden das Reich der
Def Moneren: Moneren haben keine Organellen, keine Zellkerne, keine Mitochondrien.
Kurze Zeit später wurde verkündet, dass diese Methanbakterien überhaupt nicht eng mit anderen Moneren verwandt sind. Gemeinsame Vorfahren mussten also noch viel älter sein!
Die ältesten datierbaren Felsen, in Westgrönland, sind 3,8 Milliarden Jahre alt. Es ist also nur sehr wenig Zeit von der Entstehung überhaupt annehmbarer Lebensbedingungen bis zur Entstehung von Leben selbst.
Vielleicht ist die Entstehung von Leben (primitivem Leben) so unvermeidlich wie das von Feldspat oder Quarz.
Wenn Methanogene gesondert aufgeführt werden, sind sie ein 6. Reich.
Biologen unterscheiden heute eher zwischen Eukaryoten und Prokaryoten statt zwischen Pflanzen und Tieren.
Die Prokaryoten müssen wegen einer gemeinsamen RNA-Sequenz irgendwann einen gemeinsamen Vorläufer gehabt haben.
I 234
Die Annahme einer gleichmäßigen Evolutionsgeschwindigkeit ist vermutlich nicht zu halten. Die frühen Methanogene können sich viel schneller entwickelt haben.
I 260
Form/Leben/Lebewesen/Evolution/Physik/Gould: Stabilität entsteht dadurch, dass ein Lebewesen groß genug ist, in einen Bereich vorzudringen, in dem die Schwerkraft jene Kräfte übertrifft, die sich an der Oberfläche abspielen. Da das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen mit dem Wachstum abnimmt, ist eine zunehmende Größe der sicherste Weg in diesen Bereich.
Die physikalische Umwelt der Erde enthält zahlreiche Lebensräume, die nur den Lebewesen zur Verfügung stehen, die größer sind als Einzeller.
Die Vielzelligkeit ist wahrscheinlich an mehreren Stellen unabhängig voneinander entstanden. Sie weist die beiden Hauptzüge der analogen Ähnlichkeit auf:
1. Sie ist relativ einfach zu erreichen und sowohl hochgradig anpassungsfähig als auch
2. der einzig mögliche Weg zu den Vorteilen, den sie mit sich bringt.
Sieht man von der Ausnahme der Straußeneier ab, können einzelne Zellen nicht sehr groß werden.
I 261
Die Vielzelligkeit ist wahrscheinlich sogar innerhalb der einzelnen Reiche mehrmals entstanden. Die meisten Biologen meinen, dass sie bei Pflanzen und Pilzen durch Amalgamierung eintrat. Diese Organismen sind die Nachkommen von Protistenkolonien. (Protisten: Einzeller, siehe Terminologie/Gould
).
Bsp Manche Volvox Kolonien mit einer festgelegten Anzahl von Zellen sind regelmäßig angeordnet. Die Zellen können in ihrer Größe differieren und die Fortpflanzungsfunktion kann auf diejenigen von ihnen beschränkt sein, die sich an einem Pol befinden.
I 264
Größere Tiere haben ein so niedriges Verhältnis von äußerer Oberfläche zu Volumen, dass sie zur Vergrößerung der ihnen zur Verfügung stehenden Oberfläche innere Organe ausbilden müssen.
I 288
Verhältnis von Oberfläche zu Volumen: Das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen ist bei kleinen Lebewesen sehr hoch. Wärme wird durch das Volumen des Körpers erzeugt, und an seiner Oberfläche abgestrahlt. Daher haben warmblütige Tiere einen besonders hohen Energiebedarf. Bsp Feldmäuse müssen die ganze Zeit über fressen. Das Verhältnis war bei den großen Dinosauriern so gering, dass sie ohne Isolierschicht auskommen konnten.
I 311
Form/Leben/Physik/Größe/Gould: Gould: Die Figur des Morgan in E. L. Doctorows "Ragtime" hatte unrecht, wenn er dachte, dass große Säugetiere geometrische Kopien ihrer kleineren Verwandten seien. Elefanten haben verhältnismäßig größere Gehirne und dickere Beine als Mäuse. Recht hat er insofern, als größere Tiere kleineren Verwandten in derselben Gruppe oft ähnlich sind.
Galilei gab schon ein klassisches Beispiel: Bsp Die Stärke eines Beins ist eine Funktion des Querschnitts. Das Gewicht, das die Beine tragen müssen, variiert mit dessen Volumen.
Damit die Körperfunktionen gleich bleiben, müssen die Tiere, wenn sie größer werden, ihre Form ändern. Dies ist die "Skalierungstheorie". Bsp Von der Krabbenspinne bis zur Tarantel reicht die Skala von Verwandten bis zum tausendfachen Körpergewicht des kleinsten Exemplars.
Auch hier verläuft die Skala regelmäßig: Die Dauer des Herzschlages steigt im Vergleich zum Körpergewicht nur 4/10 mal so schnell.
I 312
Kleine Tiere bewegen sich viel schneller durchs Leben als große, ihr Herz schlägt rascher, sie atmen häufiger, ihr Puls ist schneller ihr "Lebensfeuer ist schneller verbrannt": Die Stoffwechselrate nimmt bei Säugetieren nur um drei Viertel so schnell zu, wie das Körpergewicht. Kleine leben tendenziell kürzer als Große.
I 313
Der homo sapiens lebt allerdings weit länger als ein vergleichbares Säugetier gleicher Größe: Siehe Neotenie/Gould.
Es soll keineswegs die Bedeutung der astronomischen Zeit geleugnet werden, Tiere müssen sie messen, um zu überleben.
I 315
Atemdauer und Herzschlag nehmen etwa 0,28 Mal so schnell zu wie das Körpergewicht; das Körpergewicht kann man kürzen, wonach für Säugetiere jeder Körpergröße übrigbleibt, dass sie bei etwa 4 Herzschlägen einmal atmen. Für alle Säugetiere unabhängig von der Größe gilt auch, dass sie während ihres Lebens etwa 200 Mio mal atmen, das Herz also etwa 800 Mio mal schlägt.
I 318 ff
Es gibt magnetotaktische Bakterien, die sich nach den Feldern ausrichten und sich entsprechend bewegen. Sie widerstehen damit dem Mechanismus der Brownschen Bewegung. Man fand heraus, dass die Magnete im Körper der Bakterien in Form von ungefähr 20 kleinen Partikeln verteilt sind.
Frage: Warum gibt es diese Verteilung des Magnetismus auf Partikel, und warum sind diese Partikel etwa 500 Angström groß (1 Angström = 1 Zehnmillionstel Millimeter).
Sie schließen sich im Körper der länglichen Bakterien zu einer Kette zusammen.
I 320
Wären diese Partikel nun etwas kleiner (etwa ein Fünftel kleiner) dann wären sie "superparamagnetisch", d.h. bei Zimmertemperatur könnte eine magnetische Neuorientierung der Partikel bewirkt werden. Wären sie hingegen z.B. doppelt so groß, bildete sich innerhalb der Partikel ein eigener magnetischer Bereich, der in verschiedene Richtungen wiese.
Was kann ein so kleines Lebewesen mit einem Magnetfeld anfangen? Der Bewegungsspielraum während der wenigen Minuten ihrer Existenz beträgt wahrscheinlich nur einige Zentimeter. Da fällt es doch nicht so sehr ins Gewicht, in welche Richtung es geht.
Es kann nun für eine Bakterie entscheidend sein, sich nach unten zu bewegen. Nun ist die Schwerkraft eigentlich ohne Magnetfeld mindestens genauso gut zu spüren. Das gilt aber nur für große Lebewesen.
I 322
Insekten und Vögel leben in einer Welt, die von Kräften beherrscht ist, die auf die Oberfläche einwirken. Einige können auf dem Wasser laufen oder von der Decke herunter hängen, weil die Oberflächen Spannung so stark und die Gravitation relativ schwach ist.
Die Gravitation macht den Insekten kaum zu schaffen, den Bakterien überhaupt nicht.
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II 325
Leben/Sinn/Gould: These: Die Geschichte des Lebens weist ein paar schwache empirische Tendenzen auf, aber im Wesentlichen bewegt sie sich nirgendwohin.
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IV 196
Leben/Vielzeller: Leben gibt es erst seit 600 Mio Jahren. Diese Zeit wird in drei große Teile eingeteilt: Paläozoikum (Erdaltertum), Mesozoikum (Erdmittelalter) und Känozoikum (Erdneuzeit).
Alle problematischen Fälle spielen sich im Paläoziokum ab.
Überraschend: Es gibt ein übergeordnetes Muster: Obwohl die Anzahl der Problematica (Lebewesen, die keine Zukunft in der Evolution hatten und daher, wegen ihrer Seltenheit und Isolation schwer zuzuordnen sind) zur Neuzeit hin abnimmt, ist es erstaunlich, wie fast vollständig sie zum Ende des Paläozoikums verschwinden.
In der Frühgeschichte der Vielzeller muss es also zu einem Aufblühen der Problematica gekommen sein.
IV 303
Leben/Gould: Leben als Ergebnis struktureller und funktionaler Komplexität kann nicht in seine chemischen Bestandteile zerlegt werden und nicht in seiner Ganzheit durch Gesetze erklärt werden.
Funktion: Bsp Die Zellmembran steuert sehr viele Prozesse in der Zelle. Wie kann man dann die Funktionen der Zelle interpretieren, indem man sie in die molekularen Bestandteile zerlegt?
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III 207
Leben/Entwicklung/Komplexität: Gould: Es gibt sieben Argumente.
1. Leben muss an der linken Wand beginnen (minimale Komplexität).
2. Es muss eine zeitliche Stabilität der ursprünglichen Bakteriellen Form geben. Zu den Def Prokaryonten (Organellen ohne Zellkern, ohne Chromosomen, ohne Mitochondrien und Choroplasten) gehören atemberaubend vielfältige Gruppen, die man zusammenfassend als "Bakterien" bezeichnet und die "blaugrünen Algen", die eigentlich ebenfalls Bakterien sind (Cyanobakterien genannt), bedienen sich der Photosynthese.
Mehr als die Hälfte der Geschichte des Lebens ist die Geschichte der Prokaryonten.
3. Damit sich das Leben ausbreiten konnte, musste sich eine immer stärker rechtsschiefe Verteilung ausbilden.
4. Eine Gesamtverteilung durch einen Extremwert in einem Schwanz zu charakterisieren ist kurzsichtig.
Über 80 % aller Arten sind Gliederfüßer, und in der Regel gelten alle Angehörigen dieses Stammes als primitiv.
Außerdem bilden die Formen, die im Lauf der Zeit den rechten Schwanz besetzten, keine ununterbrochene Evolutionsfolge. Es ist eine buntscheckige Reihe, die nicht zusammenhängt. Zeitliche Folge: Bakterium, Eukaryontenzelle, Meeresalge, Qualle, Trilobit, Nautilid, Panzerfisch, Dinosaurier, Säbelzahntiger, Homo sapiens.
5. Kausalität liegt an der ((s) linken) Wand (geringste Komplexität) und in der Ausweitung der Variationsbreite. Der rechte Schwanz ist nicht Ursache, sondern Wirkung.
III 212
6. Der einzige Weg, den Fortschritt wieder einzuschmuggeln ist logisch möglich, aber empirisch höchstwahrscheinlich falsch.
Das erste Lebewesen steht an der linken Wand, aber das erste Säugetier, die erste Blütenpflanze oder die erste Muschel geht von der Mitte aus und die Nachkommen können sich in beide Richtungen bewegen.
Aber man kann mit guten Gründen eine Bevorzugung der Richtung nach links unterstellen, denn Parasitismus ist eine sehr verbreitete Evolutionsstrategie, und Parasiten sind anatomisch in der Regel einfacher gebaut als ihre selbständigen Vorfahren (VsFortschritt!).
So könnte das ganze System untergeordnete Gegenlinien enthalten.
Empirisch zeigen die Funde keine Vorliebe nach rechts!
7. Selbst eine engstirnige Beschränkung auf den rechten Schwanz (>Komplexität) bringt nicht die ersehnte Schlussfolgerung, nämlich eine vorhersagbare, sinnvolle Evolution zur Vorherrschaft eines bewussten Wesens.
Es muss den rechten Schwanz statistisch geben, aber was für Lebewesen dort stehen, lässt sich überhaupt nicht voraussagen. Es ist keineswegs durch die Mechanismen der Evolution bestimmt!
Würde die Evolution sich wiederholen, wäre die Entwicklung zu menschenähnlichen Wesen so gut wie ausgeschlossen, wegen der extremen Unwahrscheinlichkeit.
>Evolution, >Erklärung, >Darwinismus

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Zeichenerklärung: Römische Ziffern geben die Quelle an, arabische Ziffern die Seitenzahl. Die entsprechenden Titel sind rechts unter Metadaten angegeben. ((s)…): Kommentar des Einsenders. Übersetzungen: Lexikon der Argumente
Der Hinweis [Begriff/Autor], [Autor1]Vs[Autor2] bzw. [Autor]Vs[Begriff] bzw. "Problem:"/"Lösung", "alt:"/"neu:" und "These:" ist eine Hinzufügung des Lexikons der Argumente.

Gould I
Stephen Jay Gould
Der Daumen des Panda Frankfurt 2009

Gould II
Stephen Jay Gould
Wie das Zebra zu seinen Streifen kommt Frankfurt 1991

Gould III
Stephen Jay Gould
Illusion Fortschritt Frankfurt 2004

Gould IV
Stephen Jay Gould
Das Lächeln des Flamingos Basel 1989

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